Frontex hat zwei neue Verträge für die Seeüberwachung aus der Luft vergeben. Dabei handelt es sich um zwei von ursprünglich vier Ausschreibungen für Flüge auf mittleren sowie auf langen Strecken. Laut dem europäischen Vergabeportal gingen die Aufträge über 53,6 Millionen Euro sowie 30,9 Millionen Euro an fünf Charterfirmen aus den Niederlanden, Großbritannien und Österreich. Alle Begünstigten hatten bereits zuvor Flugdienste für Frontex übernommen. Mehrere Firmen fliegen außerdem für Küstenwachen in anderen europäischen Ländern, darunter etwa die Niederlande und Großbritannien.
Derzeit wendet Frontex ein Sechstel ihres diesjährigen Budgets für ihren „Luftüberwachungsdienst“ (FASS) auf. Mit dessen Aufbau hatte die EU-Grenzagentur im Jahr 2013 begonnen. Anfangs handelte es sich dabei um ein Pilotprojekt mit der britischen Firma Diamond Executive Aviation (DEA), dem ab 2017 Dienstleistungsverträge mit insgesamt neun Unternehmen folgten. Grundlage war die erneuerte Frontex-Verordnung von 2016, wonach die Agentur eigene Ausrüstung beschaffen, leasen oder mieten kann. Damit wird Frontex unabhängig von den Mitgliedstaaten, bei denen die Agentur gewöhnlich um Personal und Ausrüstung für „Gemeinsame Operationen“ bitten muss.
Eigenes Lagezentrum für Frontex-Flüge
Die FASS-Flüge können von jedem EU-Mitgliedstaat mit einer Außengrenze angefordert werden, die Entscheidung darüber liegt bei Frontex-Direktor Fabrice Leggeri. Zuerst machte davon im Jahr 2017 Italien Gebrauch, 2018 folgte in Kroatien der erste Einsatz an einer Landgrenze. In einigen Fällen erfolgten Einsätze auch im Rahmen von Frontex-Missionen im Mittelmeer oder im Schwarzen Meer.
Sämtliche Aufklärungsdaten werden über eine gesicherte Satellitenverbindung an das Frontex-Hauptquartier in Warschau übermittelt und von dort an die Grenztruppen des jeweiligen Einsatzlandes weitergegeben. Die Informationen speist Frontex außerdem in sein EUROSUR-Überwachungssystem ein, an das alle EU-Mitgliedstaaten angebunden sind. Dort werden sie von 42 Mitarbeiter:innen des „Frontex-Lagezentrums“ ausgewertet. Mindestens sechs von ihnen arbeiten in der eigens für den FASS-Dienst eingerichteten Abteilung „Mehrzweck-Luftraumüberwachungsdienst“ (MAS).
Bei Bedarf können auch Nachbarstaaten, in denen Frontex irreguläre Grenzübertritte entdeckt, darüber benachrichtigt werden. Auch Länder wie Libyen, Tunesien oder die Türkei werden über Ergebnisse der Frontex-Luftaufklärung informiert, dem EUROSUR-Netzwerk dürfen sie aber nur indirekt angehören.
Pluspunkte für Ortung von Telefonen
Die FASS-Flugzeuge befördern unterschiedliche Ausrüstung zur Überwachung. Grundsätzlich gehören dazu elektro-optische Sensoren, die auch bei Nacht oder schlechter Sicht Bilder liefern können. Weitere Informationen generiert ein Seeradar, das etwa kleine Boote auch auf größerer Entfernung erkennt.
Außerdem sind die Flieger mit Anlagen zum Empfang von Transpondern ausgestattet, um die Position von größeren Schiffen zu verfolgen. Laut der Ausschreibung für die FASS-Flüge konnten Anbieter Pluspunkte sammeln, wenn die Flugzeuge zudem Technik zur Ortung von Mobil- und Satellitentelefonen an Bord haben.
Allein für die Flugzeuge im FASS-Dienst hat Frontex bislang 147 Millionen Euro ausgegeben. Inzwischen setzt die Agentur auch Drohnen ein, die wesentlich länger in der Luft bleiben und daher größere Gebiete abdecken können. Ein erster Vertrag ging an den europäischen Rüstungskonzern Airbus, der für Flüge mit einer israelischen „Heron 1“ 50 Millionen Euro erhält. Die Drohne ist auf Malta stationiert und wird von Airbus-Personal geflogen. Bald folgt mit der „Hermes 900“ eine weitere Drohne aus Israel, die Stationierung könnte dann in Malta, Italien oder Griechenland erfolgen.
Hubschrauber für die libysche „Küstenwache“
Die nun vergebenen Aufträge haben eine Laufzeit von sechs bis zwölf Monaten. Wo die Einsätze erfolgen, schreibt Frontex nicht. Im Bereich der Langstreckenflüge sollen sich die Flugzeuge mindestens 740 Kilometer vom Ort der Stationierung entfernen können. Damit könnte Frontex wie bisher die Gewässer vor Libyen und Tunesien aus der Luft beobachten.
Eigentlich wollte Frontex auch 14 Millionen Euro für Kurzstreckenflüge zur Überwachung von Landgrenzen oder Küstenlinien vergeben. Ein entsprechender Vertrag kam aber nicht zustande, die Gründe dafür teilt Frontex nicht mit. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Hubschraubern, die derzeit noch nicht zum FASS-Flugdienst gehören. Frontex wollte dafür zunächst 3 Millionen Euro ausgeben.
Auch die libysche Regierung könnte demnächst Hubschrauber zur Seeüberwachung einsetzen. Hierzu hatte die Vorgängerregierung im letzten Jahr zehn Hubschrauber bei Airbus bestellt. Im Bereich der Migrationsabwehr sollen davon auch die beiden Küstenwachen des Landes profitieren.
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